Das Comeback und Abschiede

dp4

Am letzten Sonntag wurde Ian Gillan – der Sänger von Deep Purple stolze 73 Jahre alt.

Happy Birthday (nachträglich)!

In Wahrheit war Ian Gillan aber nicht der einzige Sänger. Rod Evans war der erste Sänger der ersten drei Alben (sh. 1. Teil dieses Kapitel: LINK). Und zwischendurch verließ Gillan die Band für ein Album. Dieser Teil der Geschichte von Deep Purple zählt hier zu diesem Teil der History.

Doch zuerst zu einem der größten Comebacks der Musik-Geschichte. Acht Jahre nach der Auflösung, unternahm ein britischer Plattenkonzern erhebliche Anstrengungen, um Deep Purple in der klassischen Besetzung mit Blackmore, Paice, Gillan und Lord wieder ins Leben zu rufen. Einem Gerücht zufolge sollen jedem Musiker zwei Millionen Dollar angeboten worden sein. Da der Erfolg von Rainbow schwand, Lord und Paice mit der Ausrichtung von Whitesnake (obwohl das größte Whitesnake-Album erst 1987 erschien) nicht mehr zurechtkamen und Gillan bei Black Sabbath „den Hut nehmen musste“, vereinigte sich Deep Purple im April 1984.

Im Zuge der Reunion-Verhandlungen war es dann auch erstaunlich, dass Rod Evans – der erste Sänger der Purples irgendiwe wieder eine kleine Rolle spielte, so berichtete Ian Gillan im Rock Hard #105:

„Den Kontakt zu Rod Evans haben wir im Laufe der Jahre komplett verloren. […] Zum letzten Mal hatten wir – indirekt – mit ihm zu tun, als er Anfang der Achtziger eine schauderhafte Coverband anführte, die unter dem Namen Deep Purple durch US-Clubs tourte. Dass er bei diesem Unternehmen eine ganze Menge Geld verloren hat, tat uns leid, aber wir mussten irgendwas unternehmen, da unsere offizielle Reunion quasi vor der Tür stand.“

 Jon Lord ergänzte dazu:

Sie sind live mit Bierflaschen und allerlei anderem beworfen worden. Letztlich war´s also zu seinem eigenen Besten, sonst hätte er seine ärztliche Kunst über kurz oder lang an sich selbst ausprobieren müssen…“

Bereits im Jahre 1981 machte die Pressemeldung über eine Wiedervereinigung Deep Purples in deren Mark-II-Besetzung inklusive eines neuen Albums und anschließender Europatournee die Runde.

Um das Gewicht dieser Wiedervereinigung nach acht Jahren nach heutiger Sicht irgendwie nachvollziehbar zu machen: Der Abstand zwischen der Auflösung der Ärzte im Juli 1988 und der Veröffentlichung des neuen Comeback-Album „Die Bestie …“ im Oktober 1993 waren weniger als fünf Jahre – schien aber seinerzeit wie eine Ewigkeit. Hier sind acht Jahre vergangen. Die Wiedervereinigung von Deep Purple wurde mit einem medialen riesigen Echo begleitet.

Am Jahresende 1983 schlussendlich trafen sich die fünf Musiker auf Initiative von Ian Gillan zu einem ersten Gespräch. Blackmore hatte schon im Januar 1984 erste Ideen für ein neues Album mit Deep Purple. Anschließend traf sich die Band im August 1984, um ihr elftes Album einzuspielen.

Perfect Strangers

Im Oktober 1984 erschienen dann „Perfect Strangers“, welches von der Kritik sehr gut aufgenommen wurde und sogar weltweit auf den höchsten Chartpositionen (#1 in der Schweiz, #2 in Deutschland, #5 in Großbritannien, #6 in den USA) schoss. In den USA und Kanada erreichte das Album Platinstatus, in Großbritannien und Deutschland Goldstatus.

Im Rock Hard landete das Album in einer Bestenliste von 2007 „500 Rock- und Metalalben“ auf Platz 231. Dabei wurden Deep Purple teilweise sogar auf eine Stufe mit den Beatles gestellt, weil sie – im Gegensatz zu Sabbath und Zeppelin – sich bei jedem Album neu erfunden würden – was nach dem „Perfect Strangers“-Album klar wurde.

Die nachfolgende Tournee wurde ebenso ein großer Erfolg. Ein großer Erfolg war dabei ein Konzert in Knebworth (England) gemeinsam mit den Scorpions, Meat Loaf und UFO vor etwa 80.000 Fans. In den Vereinigten Staaten war Deep Purples Tour die zweiterfolgreichste des Jahres. Im Verlauf der US-Tour 1985 musste die Band zahlreiche Zusatzkonzerte geben.

Abweichend von der ursprünglichen Vinyl-Version erschien später CD-Versionen mit dem zusätzlichen Track „Not Responsible“. 1999 kam dann das Bonus-Instrumental-Lied „Son of Alerik“, hinzu.

The House of Blue Light

Nach dem Ende der Tour wurde 1986 das Album „The House of Blue Light“ eingespielt, auf dem die Band wieder musikalisch risikofreudiger sein wollte. Blackmore benutzt hier zum ersten Mal Gitarrensynthesizer und Paice setzt elektronisches Schlagzeug („The Unwritten Law“) ein. Das Album erreichte u. a. Platz 1 in Deutschland und Schweden, sowie die Goldene Schallplatte in Kanada.

Nach der Tournee traf sich die Band zum Jahreswechsel 1985/1986, um an neuen Songs zu arbeiten. Die Band wollte musikalisch wieder risikofreudiger werden. Erstmals wurden Gitarrensynthesizer benutzt (so, wie zeitgleich Iron Maiden bei „Somewhere in time“), und Ian Paice setzte bei „The Unwritten Law“ ein elektronisches Schlagzeug ein. Die Aufnahmen dauerten seinerzeit relativ lang. Im Januar 1987 war das Album fertig. Der Titel stammte von einer Textpassage des Titels „Speed King“. Einige Stücke auf der LP-Version sind kürzer als die der Original-CD von 1987. Die CD Ausgabe von 1999 wurde von den originalen Vinyl-Master-Bändern remastered, sodass ihre Laufzeit ebenfalls entsprechend kürzer als die der Original-CD-Version ist. Dieses von einigen Künstlern zu dieser Zeit verwendete System sollte den Verkauf der damals noch auf dem Vormarsch befindlichen CD fördern.

Auf der House-of-Blue-Light-Tour wurde ein Live-Album mit dem Titel „Nobody’s Perfect“ mitgeschnitten und zum 20-jährigen Jubiläum erschien eine neu eingespielte Version des ersten Hits „Hush“.

Innerhalb der Gruppe gab es bereits länger Streitigkeiten, wodurch Gillan, dem das Album nicht gefiel, die Gruppe verließ, bzw. gekündigt wurde (je nach Quelle). So brach die Mark II-Besetzung 1989 ein weiteres Mal auseinander.

Nach seiner zweiten Trennung von der Band erklärte er selbst, dass er zukünftig nicht noch einmal bei Deep Purple mitwirken wolle:

„Ich kann an Deep Purple nur noch wie an eine Verflossene denken. Wir heirateten 69 und wurden 73 geschieden. 84 heirateten wir noch mal und ließen uns 89 wieder scheiden. Das mach ich nicht noch mal.“

Für ihn wurde auf Initiative Blackmores hin der frühere Rainbow- und Yngwie-Malmsteen-Sänger Joe Lynn Turner verpflichtet. Damit bestand die Band – Mark-V genannt – mehrheitlich (Glover, Blackmore, Turner) aus der letzten festen Rainbow-Besetzung. Zuvor wollte die Band Jimi Jamison von Survivor engagieren, er hatte jedoch andere Verpflichtungen.

Slaves and Masters

Mit Joe Lynn Turner entstand dann das 91er-Album „Slaves and Masters“, welches deutliche Parallelen zu den späten Rainbow hatte. Das Album floppte aufgrund seines ungewöhnlich poppigen Stils und konnte seine höchste Chartposition (#5) in der Schweiz erlangen, wo es auch Goldstatus erhielt. Einzig die ausgekoppelte Single „King of Dreams“ konnte einen kleinen Erfolg (Platz 6 in der USA) feiern. Hier muss man aber im Hinterkopf behalten, dass seinerzeit der Grunge hoch kam und es trotz großartiger Alben, der traditionelle Rock recht schwer hatte. Im Rückblick gefällt mir das Album sehr gut. Turner wurde von den Fans gleichwohl nicht akzeptiert, was einer der Gründe dafür war, dass er die Band nach nur einem Album und einer Tour wieder verlassen musste.

The Battle Rages On

Ende 1992 wurde Ian Gillan wieder in die Band geholt. Blackmore war dagegen, konnte sich aber nicht gegen die anderen Purples durchsetzen. Damit war es möglich, das folgende 93er-Album „The Battle Rages“ On erneut in Mark-II-Besetzung einzuspielen. Das Album zeigt ein großes musikalisches Spektrum der Band. Der Titeltrack als, sowie der Powerrockballade „Anya“, welche auch von der mittelalterlichen Musik beeinflusst wird, bis hin zu „A Twist in the Tale“ – nach dem ich mir das Stück angehört hatte, musste ich unweigerlich an „Man on the Edge“ von Iron Maiden denken; nach dem Intro habe ich die ersten Zeilen des Maiden-Songs mitgeträllert – hatte aber den falschen Text. Das Album erreichte weltweit diverse Top-10-Platzierungen. In Japan wurde das Album mit einer Goldenen Schallplatte prämiert.

Das Album ist das letzte mit der klassischen Mk.-II-Besetzung, die sich zum zweiten Mal wiedervereinigt hatte. „The Battle Rages On“ war für 20 Jahre das letzte Studioalbum von Deep Purple, welches eine Goldenen Schallplatte erhielt ausgezeichnet wurde. Erst „Now What?!“ konnte 2013 wieder prämiert werden. Die Differenzen innerhalb der Band bestanden jedoch weiterhin. Im Anschluss an eine Europa-Tournee zum Album verließ Blackmore am 17. November 1993 nach seinem letzten Auftritt in Helsinki auf eigenen Wunsch die Band, weil er mit Gillans gesanglicher Leistung nicht zufrieden war.

Nach der Europa Torurnee standen aber noch Konzert-Termine in Japan an. In einem späteren Interview erklärte Roger Glover hierzu:

„[…] wir sollten noch in Japan spielen, aber Ritchie wollte das plötzlich nicht. Wir haben dann versucht mit ihm zu reden, ich rief ihn an und sagte: ‚Bitte – bitte spiele diese Gigs mit uns.‘ Er antwortete nur: ‚No!‘ Sonst nichts. Er ließ nicht mit sich reden“

Da die Band eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Veranstalter vermeiden wollte, begab sie sich auf die Suche nach einem kurzfristigen Ersatz. Nach nur drei Tagen Probe half Joe Satriani als Gitarrist für die Tournee aus und sprang auch danach auch noch ein. Er wurde gebeten, Blackmore dauerhaft zu ersetzen, konnte wegen seines Plattenvertrages aber nicht bei der Band bleiben.

Ohne den prägenden Gitarristen war die Zukunft einer der größten Rock-Bands aller Zeiten aber ziemlich ungewiss. Wie sollte diese Band, die soviele prägende Standards in der Rockmusik gesetzt hat – sich bei der aufkommenden Grunge (später Crossover / Alternative) Zeit durchsetzen? Der fehlende Erfolg der folgenden Alben hat gezeigt, dass es für Deep Purple sehr schwierig war. Man kann natürlich darüber sinnieren, ob dem nicht so gewesen wäre, wenn Ritchie dabei geblieben wäre – ich denke aber, dass es die Zeit war, in der klassische Rock Musik kämpfen musste.

Von dem Kampf dann im nächsten und letzten Teil des 1. Kapitels meiner Metal & Rock-History.

Bei Spotify gibt es leider „Battle Rages On“ nicht…dafür spendiere ich Euch hier die Liste für das seinerzeitige Live-Album „Nobody’s Perfect“:

Hinterlasse einen Kommentar